Steppe und die Moshkas


KM 5056 | Bevor ich Wolgograd verlasse steht an meiner Rohloff Nabenschaltung noch ein Ölwechsel an, der alle 5000 Kilometer vom Hersteller empfohlen wird. Mit Hilfe des Ölwechsel-Kits gelingt dies auch problemlos. Beim Ablassen des alten Öls stelle ich fest, dass nur noch wenig Restöl in der Nabe war. Trotz geschlossenem Getriebe ist die Nabenschaltung eben nicht 100 % dicht, wie ich aus verschiedenen Erfahrungsberichten in Internetforen lese.

DSC00241

Ab Wolgograd breitet sich die Wolga bis Astrachan in dem flachen Land zu einem riesigen Sumpfgebiet mit vielen Nebenflüssen aus. Durch den derzeit hohen Wasserstand sind zudem viele Gebiete überflutet.

DSC00270

Von Mai bis Juni ist das Gebiet eine riesige Brutstätte für Moshkas. Alle haben mich vor ihnen gewarnt und tatsächlich sind die Fliegen hier eine wahre Plage.

DSC00314

Sobald ich mit dem Rad stehen bleibe, umschwärmen sie mich zu hunderten und kriechen in die Ohren, Nase und verfangen sich in den Haaren. Zum Glück stechen sie nicht. Es ist das erste mal, dass ich mich über starken Wind freue, denn dann ist man die Moshkas los.

DSC00328

Im Stillstand hält man es ohne Moskitonetz nicht aus. Die Kunst ist es, das Moskitonetz überzustülpen, ohne dass sich darunter schon Moshkas befinden. Es funktioniert, wenn man dies während eines kurzen Sprints macht. Auch öffne ich das Zelt wenn möglich nur ein mal abends, werfe alles was ich brauche hinein und lasse es bis morgens geschlossen. Alle Moshkas, die es trotzdem bis ins Zelt geschafft haben fange ich ein, da sie beim Zusammenpacken des Zelts sonst zerdrückt werden und an meiner Zeltwand kleben.

Natürlich gibt es jede Menge Mittelchen gegen die Moskas und inzwischen besitze ich ein ganzes Arsenal an Sprays und Ölen. Teilweise habe ich sie geschenkt bekommen, jeder schwört hier auf ein anderes Mittel. Eine erstaunlich gute Wirkung hat das Rosenöl ganz rechts im Bild. Allerdings wirkt es nur, wenn man es frisch geduscht auf die trockene Haut aufträgt.

DSC00312

Auf meiner Haut bildet sich aber täglich ein Gemisch aus Schweiß, Sonnencreme und Staub, hier versagt jedes Spray hoffnungslos.

Östlich meiner Straße, die über 430 Kilometer quasi ohne Abzweigung nach Astrachan führt, befindet sich karge Steppenlandschaft. Verfahren kann man sich nicht.

DSC00262

Auf den ersten Blick eine öde Landschaft. Auf den zweiten Blick findet man jedoch zahlreiche Tiere und Blumen. Die Eidechsen die sich auf der Straße sonnen sind so flink, dass ich sie nicht fotografieren kann.

DSC00295

DSC00300

DSC00274

DSC00364

Besonders beeinrucken mich diese zwei Käfer, die vor mir die Straße überqueren und die ich fast überfahre. Sie rollen gemeinsam eine Kugel in beachtlicher Geschwindigkeit über den Boden.

DSC00276

Natalia ist Lehrerin im Ruhestand und besitzt einen prächtigen Garten, in dem sie Obst und Gemüse anbaut: Kartoffeln, Rote Beete, Gurken, Pfirsiche, Birnen, Äpfel, Salat, Kräuter und vieles mehr. Sie hat so viel davon, dass sie es an Nachbarn, Freunde und Familie weitergeben kann. Zum Glück hat sie eine Pension, viele Andere aber verkaufen ihr Gemüse am Straßenrand.

DSC00261

Wie so oft hier, ist Ihr Mann leider schon früh verstorben. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern beträgt in Russland nur 64 Jahre.

Ein häufiger Anblick ist auch viel Müll, der am Straßenrand abgeworfen wird. In den Dörfern gibt es zwar Einkaufsmöglichkeiten und somit viel Verpackungsmüll, einen Mülleimer sucht man aber vergeblich. Und so war ich ein paar mal schon kurz davor, meinen Müll einfach auch auf den sowieso schon vorhandenen Müllberg neben der Bushaltestelle zu werfen, da ich trotz zusammenknüllen der PET-Flaschen irgendwann meine Packtaschen nicht mehr zu bekomme.

DSC00265

Wieder sehe ich mit Mosaiksteinchen verzierte Bushaltestellen. Die Kunstwerke werden aber nicht in Schuss gehalten sondern teils mit Plakaten und Zetteln zugeklebt.

DSC00267

Der Wetterbericht zeigt Gewitter an. Da es in der Steppe quasi keinerlei Schutzmöglichkeit gibt und ich nicht zelten möchte, beschließe ich in der nächsten kleinen Stadt Kharabali ein Gostiniza (Hotel) zu suchen. Außerdem kann ich so für einige Zeit den Moshkas entfliehen.

DSC00341

Gleich am Ortsrand gibt es ein Motel. Ich lasse mir das Zimmer vorher zeigen und sehe, dass es derart dreckig und heruntergekommen ist, dass ich mich dort nicht ins Bett legen würde. Ich frage mich zu dem zweiten Hotel durch, das es hier geben soll. Als ich es finde, ahne ich ebenfalls nichts Gutes und will schon wieder umdrehen. Denke dann aber, dass ich es wenigstens von Innen sehen sollte, da es schon anfängt zu regnen.

DSC00346

Drinnen bin ich dann äußerst überrascht, denn alles ist wirklich sauber. 1000 Rubel (13 EUR) kostet ein Zimmer mit Etagendusche und Toilette. Wie auch schon bei den Plattenbauten lerne ich, dass man von der Fassade absolut nicht auf die Innenräume schließen kann.

DSC00343

Auf dem nächsten Foto ist die Hoteldirektorin und eine Angestellte zu sehen.

DSC00354

Die Dörfer die ich zur Essens- und Wasserversorgung anfahren muss, sind in der Regel nicht direkt an der Straße sondern etwas abseits. Von der Hauptstraße führt dann im 90 Grad Winkel eine Straße ins Dorf. Das Problem, dass man bei zunehmendem Verkehr wie bei uns eine Ortsumfahrung bauen müsste, hat sich somit erübrigt.

Screenshot_2016-05-31-18-48-42

Für mich hat es allerdings den Nachteil, dass sich mein Kilometerstand durchaus um fünf Kilometer für den Hin- und Rückweg erhöht, ohne dass es mich eigentlich vorwärts bringt.

Einige Friedhöfe an denen ich vorbeifahre, haben gemauerte Gräber und komplette Gruften. Eine Gruft hat Fensterchen, zu denen man hineinschauen kann und ich erkenne einen Holzsarg der im Inneren liegt. Da das Ganze mir dann doch etwas unheimlich ist fahre ich schnell weiter.

DSC00361

DSC00359DSC00358

6 Gedanken zu „Steppe und die Moshkas

  1. Andreas und Elke

    Hallo Heinrich , wieder ein spitzenmäßiger Beitrag !! Der liest sich wie frisches Brot mit guter Butter. Du machst Dir sehr viel Mühe , ein großes Dankeschön dafür . Gute Reise und herzliche Grüße ! Andreas und Elke

  2. Maria Gmeiner

    Hallo Heinrich, ich bin die Maria vom Canspé. Danke dir für deine schönen Fotos und die spannenden Berichte. Sie sind zu meiner Nachtlektüre geworden. Echt tapfer wie du die Strapazen durchstehst. Toi toi und danke an deine liebe Janette, die mir die links schickt und die dich sicherlich sehr vermissen wird.

  3. Angela

    Hi Heinrich!
    Also ich muss auch sagen, das machst du Spitze! Du musst unbedingt eine Reiseerzählung darüber schreiben. Ich kann es immer gar nicht erwarten, wie es weiter geht. Und dann noch die tollen Fotos! Freue mich für dich, dass es nach den anfänglichen Problemen nun doch gut läuft. Weiter so und weiterhin
    gute Fahrt!
    Lg Angela

  4. Keke

    Guten Morgen:) hab gestern Abend deine Karte aus Saratov bekommen und mich voll gefreut! Hab nen schönen Tag!

  5. Hannelore Braunwarth

    Lieber Heinrich, auch wir sind immer ganz gespannt auf deinen nächsten Eintrag. Vielen Dank, dass Du uns auf diese Weise an Deinen Erlebnissen teilhaben lässt!
    Wir wünschen Dir weiterhin gute Reise! Hannelore und Hans

Die Kommentare sind geschlossen.