KM 8390 | Gegen Ende meiner Reise kann ich mich endlich über eine richtige Schönwetterperiode mit zwei Wochen Sonnenschein freuen. Die Piste nach Sewerobaikalsk über 400 Kilometer besteht teilweise aus richtig grobem Schotter. An anderen Stellen ist durch die Trockenheit wiederum die Oberfläche völlig versandet und ich schaffe pro Stunde kaum 10 Kilometer.
Die Rüttelei ist auch eine große Beanspruchung fürs Material, als erstes gibt die Aufhängung meiner Ortlieb-Tasche nach.
Entlang der BAM gibt es nur wenige kleine Orte. Sergey kehrt mit seinem Motorrad vom Angeln zurück und schenkt mir ein paar Fische. Er erzählt mir, dass zu Sowjetzeiten die Dörfer hier viel größer waren. Damals seien die Leute auch viel offener gewesen, heute würde jeder seine Tür schließen.
Tatsächlich bestehen ein paar Orte, die auf meiner Karte eingezeichnet sind, nur noch aus Ruinen und abgebrannten Balken.
Ich finde aber, dass die meisten Menschen denen ich in Sibirien begegne sehr gastfreundlich sind, wie das nächste Foto zeigt. Man muss nur manchmal etwas das Eis brechen. Besonders wenn man mit Uniformierten in ihrer offiziellen Rolle zu tun hat. Dann darf man kein Lächeln erwarten. Trifft man diese Leute dann aber “privat” zum Beispiel in ihrer Raucherpause, kann es ganz anders sein.
Die Brücken für den Autoverkehr bestehen aus einem Stahlgerüst mit Holzfahrbahn, die nach 30 Jahren erneuert werden muss. An so einer Baustelle fahre ich vorbei, als die Arbeiter gerade Pause machen und einen dampfenden Kochtopf vom Feuer holen. Eigentlich fragten sie mich nur, ob ich einen Tee will. Aber keine fünf Minuten später steht ein Teller mit Suppe, Brot und Salat vor mir. Umgerechnet 320 Euro verdienen die Arbeiter im Monat für ihre harte Arbeit. Sie sehen ihre Familien nur am Wochenende oder noch seltener. Mir ist es immer unangenehm, wenn sie nach einem deutschen Ingenieursgehalt fragen und ich hier so gastfreundlich aufgenommen werde.
Die Dorfläden sind meist ziemlich leergefegt. Frisches, oder Ware die gekühlt werden muss, sind selten zu bekommen. Dafür gibt es aber heißen Tee und in diesem Laden gibt es sogar Nudeln mit Soße und Fleischbeilage aus der Mikrowelle. Außerdem kann man Klopapierrollen und Streichholzschachteln noch stückweise kaufen, was für mich sehr praktisch ist.
Die BAM ist bisher nur eingleisig und wird im Moment zweigleisig ausgebaut. Die Brückenpfeiler sind aber schon von Anfang an auf zwei Gleise ausgelegt.
Inzwischen ist es zur Gewohnheit geworden, jeden Abend meine Essensvorräte halbwegs bärensicher auf einen Baum zu hängen. Gesehen habe ich aber immer noch keinen, obwohl mir alle erzählen, dass man oft welche sieht und sie auch an die Straße kommen würden. Es sind zwar keine aggressiven Tiere aber ich bin trotzdem froh, dass mir bisher keiner über den Weg gelaufen ist.
Am höchsten Punkt der Straße über das Baikalgebirge erreiche ich die Republik Burjatien und somit den letzten Verwaltungzbezirk auf der Reise. Auf den Berggipfeln liegt noch der letzte Schnee.
In Goudzhekit, 45 Kilometer vor dem Baikalsee gibt es 30 Grad warme Quellen. Ich freue mich schon tagelang darauf, in einem warmen Naturbecken mit Aussicht auf die Berge zu sitzen. Als ich dort ankomme bin ich aber sehr enttäuscht. Es gibt keinen freien Zugang zu diesen Quellen. Drei kleine Freizeitanlagen mit Übernachtungsmöglichkeit zapfen sich das Wasser ab und man kann in einem nicht sehr einladenden Becken schwimmen.
Ich bleibe trotzdem eine Nacht, da ich von den Bergetappen in den letzten Tagen ziemlich geschafft bin und nicht noch einen Zeltplatz suchen möchte.
Die Toiletten sind recht spartanisch, Klopapier bringt man hier -wie auch im Zug oder im Hotel- selbst mit.
Ein sehr beliebtes Getränk in Russland ist Kwas. In den Sommermonaten kann man diese “Russische Cola” an Straßenständen kaufen. Kwas wird aus Brot und Zucker hergestellt und kann ein wenig Alkohol enthalten. Gut gekühlt ist es eine leckere Erfrischung.
Der Baikalsee rückt unaufhaltsam näher, was ich auch daran merke, dass niemand mehr staunt, wenn ich mein Ziel nenne. Als die Radreifen dann ins Wasser tauchen und meine Füße das kalte Wasser berühren ist es eigentlich ein sehr trauriger Augenblick. Denn die Reise wird bald vorüber sein.
Von Sewerobaikalsk geht es nur mit dem Schiff weiter, das in den Sommermonaten von hier aus zwei mal pro Woche nach Irkutsk fährt. Mein Rad kann an der Reeling angebunden kostenlos mitfahren und so geht es in acht Stunden bis auf die Insel Olchon. Von dort aus werde ich meine letzte Etappe von 350 Kilometern nach Irkutsk antreten.
Cool, Gruß aus der Goldschmiedeschule Pforzheim….
Echt ein super Projekt Heinrich! Weiterhin gute Fahrt!
Weiterhin viel Glück!
Auch für die letzte Strecke Deiner Reise wünschen wir Dir gute Fahrt! War das nun der letzte “Wochenbericht”? Aber sicher machst Du noch einen Abschlußbericht, auf den wir natürlich sehr gespannt sind. Viele Grüße aus Langenau
Ja, einen “Wochenrückblick” mache ich noch, aber das ist dann leider der Letzte… Viele Grüße, Heinrich
Hoffe, dass weiterhin alles so gut klappt. Wieder einmal ein interessanter Bericht mit schönen Fotos. Allerdings habe ich doch noch auf ein Bärenfoto gehofft… ? Lg Angela
Lieber ‘Ginrich’, als ich deinen letzten Eintrag übe den Baikalsee las, musste ich daran denken, wir wir 1965 im Slawistenchor der Uni Tübinen ‘Slavnoe more, svjatschennij Baikal’ gesungen haben – ich bin gespannt, was du nun von der Fahrt zu der Insel berichten wirst und von deiner Fahrt nach Irkutsk. Ganz liebe Grüsse aus dem Odenwald und weiterhin vsevo choroschevo! Deine Annemarie alias Ami P.S. Deine Fotos sind großartig!
Hey Heini,
ich lese deine letzten beiden Einträge erst jetzt, weil ich zwei Wochen im Allgäu ohne Netz war.
Tolle Fotos, schöne Geschichten und ich freue mich darauf, einen live-Bericht mit Fotos von dir zu kriegen!
Ich wünsche dir noch einen guten Abschluss und eine gute Heimreise.
Grüße auch von den Ladies!
Niko
Ich war 2014 auf Olchon im Baikal und in Ulan Ute. Nun würde ich zu gern den Film sehen.
Wann kommt er in den Berliner Raum?
Herzlich
Johanna Lesch
Hallo Johanna Lesch,
danke für Ihr Interesse. Bis jetzt ist leider noch keine Vorstellung im Berliner Raum geplant, falls doch wird es hier auf der Website bekanntgegeben.
Viele Grüße, Heinrich Kern
Sehr geehrter Herr Kern, ein schöner Film (mit tollen Aufnahmen einer schönen Natur und beeindruckenden Erlebnissen von Gastfreundschaft), den ich in den Lichtspielkinos in Mössingen gesehen habe. Wichtiger denn je scheinen die zwischenmenschlichen Beziehungen und ein gegenseitiges Kennenlernen zu sein, um zu erkennen, dass die Grundbedürfnisse der Menschen überall auf der Welt die gleichen sind.
Gerne hätte ich Interesse an einer DVD von diesem Film.
Mit freundlichen Grüßen
Karina Gültig