KM 5577 | Mit Christian fahre ich von Astrachan weiter nach Osten. Christian ist bei Lutherstadt Eisleben geboren und arbeitet als Ingenieur in einer Firma für Medizintechnik. Sein Arbeitgeber hat es ihm ermöglicht, einige Monate frei zu nehmen.
Seine bisherige Route war meiner recht ähnlich, er war auch in Moskau, Saratov und Wolgograd. Sein Blog: www.nen-schlenker-nach-osten.blogspot.de.
Nach einer so langen Strecke alleine, freue ich mich sehr, dass wir 5 Tage lang gemeinsam fahren. Wir haben uns viel zu erzählen. Wir hatten auf der bisherigen Reise sehr viele gleiche Erfahrungen, Wewehchen und Probleme, die wir teilweise auch noch auf die gleiche Art gelöst haben, was uns des öfteren zum Lachen bringen.
Wir erreichen die russische Grenzkontrolle und geben den Beamten unsere Pässe und die Migrationskarte. Es ist ein mulmiges Gefühl. Die fünf Minuten, in denen der Pass gescannt und kontrolliert wird kommen mir vor wie eine Ewigkeit. Dann aber höre ich das erlösende Klackern des Ausreisestempels. Alle Sorgen, dass es wegen fehlendem Einreisestempel (Einreise nach Russland war bei mir über die Zollunion von Belarus kommend) oder unzureichender Registrierung, waren somit unbegründet. Auch den Kontrollabschnitt (Talon) vom Hotel wollte niemand sehen. Zwischen dem russischen und kasachischem Grenzposten liegen nochmals 10 Kilometer Niemandsland und man hat uns geraten dort besser nicht anzuhalten.
Auch die kasachische Grenzkontrolle verläuft ohne Probleme. “Dawai!” ruft uns der Grenzbeamte zu und wir können es kaum glauben als sich der Schlagbaum öffnet. Wir sind in Kasachstan!
Hinter der Grenze kommen direkt Leute auf uns zu, bei denen wir unsere Rubel gegen kasachische Tenge tauschen können und die uns eine SIM-Karte verkaufen. Erneut müssen wir unsere Uhren um eine Stunde vor stellen. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt nun drei Stunden.
Wir tauschen leider zu wenig Geld und kaufen an den folgenden 2 Tagen nur die nötigsten Lebensmittel und Wasser ein. Am dritten Tag fahren wir dann aber durch Akkistau, eine Ortschaft mit Geldautomaten.
In Kasachstan muss man quasi einhändig fahren, da einen fast jeder Autofahrer grüßt und anhupt. Wir sind erstaunt dass die Straßenschilder sogar zweisprachig (kasachisch, englisch) sind und die Autos weit moderner als in Russland. Auch wundern wir uns, dass die Verkäuferin an der Tankstelle, bei der wir Christians Benzinkocher auffüllen, ein paar Brocken englisch spricht.
Die Steppe wird immer karger und flacher. Das ganze Gebiet befindet sich in der kaspischen Senke und liegt unterhalb des Meeresspiegels. Irgendwann sehen wir dann die ersten Kamele, die auf der Straße stehen und sich vom Hupen der Autofahrer überhaupt nicht beeindrucken lassen.
Am Straßenrand verkaufen Frauen Kamelmilch und Käse. Der Käse ist hart und schmeckt sehr intensiv und gewöhnungsbedürftig. Die Vermummung der Frauen ist ein Schutz gegen Sonne, Wind und Staub.
Die Straße verläuft meist 10 Kilometer vom Ufer entfernt. An einer Stelle sind es nur noch etwa drei Kilometer bis zum kaspischen Meer. Da wir durch den Sand nicht mit den Rädern fahren können, gehen wir zu Fuß.
Das Ufer ist so flach, dass wir 800 Meter ins Meer gehen können und trotzdem nur mit den Knöcheln im Wasser stehen. Aus Christians geplanter Abkühlung mit einem Sprung ins Wasser wird somit leider nichts.
Die Zeltplatzsuche wird immer einfacher, denn es ist völlig egal, wo man anhält. Wir zelten aber immer so weit in der Steppe, dass man uns von der Straße aus kaum mehr sieht. Die Moshka-Fliegen sind wir inzwischen los, allerdings werden diese nahtlos durch Moskitos ersetzt. Mit einem Spray kann man es aber abends dennoch aushalten und dank Christians Kocher können wir uns sogar ein paar heiße Bohnen zubereiten.
Christian beschließt, mit mir ab Atyrau ein Stück im Zug mitzufahren, um ein paar Tage entönige Steppe abzukürzen. Wir kaufen für ihn in einem kleinen Büro ein Ticket für das gleiche Abteil. Früher gab es noch einen Gepäckwagen, der aber inzwischen abgeschafft wurde. Jetzt gilt pro Passagier ein Gepäcklimit von 30 kg und ein maximales Packmaß (LxBxH) von 200 cm für jedes Gepäckstück, was wir beides so oder so überschreiten werden. Wenn uns der Wagonschaffner Probleme bereiten möchte, wird er es auch können. Und mit unseren minimalen Russischkenntnissen werden wir auch nicht mit Ihm über die Transportregeln diskutieren können.
Nach langer Überlegung ist nun der Plan, für jeden 2 Tickets im Kupe (Abteil, 4 Betten) zu kaufen und das untere Bett jeweils als Abstellplatz für das Fahrrad zu verwenden. Damit man das Rad unkompliziert ins Abteil bekommt, wollen wir dann am Bahnsteig die Pedale und das Vorderrad entfernen und den Lenker querstellen.
Wir erreichen Atyrau, unsere erste Stadt in Kasachstan. Atyrau lebt vom Öl und Gas. Es wohnen und arbeiten dort viele Spezialisten aus dem Ausland. Wir überqueren den Fluss Ural und erreichen somit die geographische Grenze zwischen Europa und Asien.
Wir treffen Nurik und Raushan, die uns die Stadt zeigen. Sie sind beide sehr engagiert und gehören hier zu den wenigen Leuten, die auch Fahrrad fahren.
Nurik und Raushan haben ein Freiwilligenprojekt auf die Beine gestellt, bei dem Bäume in Atyrau gepflanzt wurden. Im Moment müssen die Bäume noch zweimal in der Woche gewässert werden. In ein paar Jahren aber sollen die Wurzeln so tief sein, dass sie vom Fluss Ural das Wasser aufsaugen können.
Unterstützung von der Stadt bekommen sie nicht, da gerade durch den niedrigen Ölpreis viele Steuereinnahmen und Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Wir essen gemeinsam Lagman (Fleisch- und Nudelpfanne) und trinken Kamelmilch, die äußerst gesund sein soll.
Wir müssen in einem lizenzierten Hotel übernachten um die Registrierung unserer Pässe zu bekommen. Das erste Hotel hat diese Lizenz nicht, das zweite Hotel “Venezia” druckt uns allerdings nur eine Reservierungsbesätigung aus und wir müssen selbst zur Migrationsbehörde und zum Copy-Shop, um die benötigten Kopien einzureichen. Die Beamten sind zuerst mit unseren deutschen Pässen überfordert und wollen uns wieder wegschicken. Erst durch mehrmaliges Nachhaken bekommen wir dann den Stempel.
Unser Zug wird am nächsten Morgen um 0:18 losfahren und wir sind sehr dankbar, dass Nurik uns zum Bahnhof begleiten wird. Er spricht russisch, kasachisch und englisch und wird uns noch eine riesige Hilfe beim Radtransport im Zug sein.
KLASSE!!!!
Freut mich ungemein, dass du Gesellschaft hast! Ich bin immer total happy über deine interessanten Berichte und wunderschönen Fotos! Bin sch on gespannt, wie es weitergeht!
Viel Spaß euch beiden!
Lg Angela
Tolle Erlebnisse , gewürzt mit kaspischer Meeresluft ! Liebe Grüße aus Leipzig
Mittlerweile bist du meine Startseite. Ich freue mich über deine wunderbaren Berichte und lese Sie voller Neid 😉
Mach weiter so und halt die Ohren steif!
Liebe Grüße aus Hannover